Hachschara

Die Vorgeschichte

Im Jahr 1917 gründeten polnische und russische Zionisten den zionistischen Weltverband Hechaluz. Die Organisation hatte zum Ziel, ihren jüdischen Mitgliedern zu einer Ausbildung zu verhelfen, die sie auf die Auswanderung nach Palästina vorbereiten sollte. Diese landwirtschaftliche oder handwerkliche Ausbildung in einer der durch die Hechaluz gegründeten Lehrstätten sollte eine anschließende Eingliederung in die jüdische Arbeiterschaft Palästinas ermöglichen. Der gesamte Prozess trug den Namen Hachschara.2

 

Am 2. November 1917 wurde mit der Veröffentlichung der Balfour-Erklärung der Grundstein für die Gründung einer jüdischen nationalen Heimstätte in Palästina gelegt. Die britische Regierung sicherte den Vertretern der zionistischen Bewegung ihre Unterstützung zu. Um die Balfour-Deklaration zu verwirklichen, übertrug der Völkerbund 1922 das Mandat für Palästina an Großbritannien. Am 16 Dezember 1922 erfolgte dann die Gründung eines deutschen Landesverbandes der Hechaluz.(2)

 

In den 1920er Jahren gab es drei ideologische Strömungen, mit denen sich die jüdische Jugendbewegung differenzierte. Die erste Strömung suchte nach einer deutsch-jüdischen Symbiose und kennzeichneten sich durch Richtungskämpfe, die politisch-ideologisch motiviert waren und schlussendlich ab 1933 auch zur Spaltung führten. Die zweite Strömung waren nationaljüdische und zionistisch ausgerichtete Organisationen, die sich mit dem Ausbau «Erez Israels« identifizierten und für eine Zertreuung des jüdischen Lebens in die Welt standen. Zum Dritten existierten chaluzisch-zionistisch organisierte Organisationen, denen es hauptsächlich um die Verwirklichung der Jugend im Kibbuzlebens ging. Diese Ausdifferenzierungen und Entwicklungen der Bunde zeigt auf, wie schwierig die Lage für die jüdischen Jugendlichen war. Die jüdische Jugendbewegung erfasste aber nur einen geringen Teil dieser Jugend, vor 1933 waren es nur rund 5-10%. Ein Großteil der Jugendlichen organisierten sich in zionistisch orientierten Sportbünden.(9)

 

In ebendieser Zeit gewann der Hechaluz nur wenige Anhänger und die Übersiedlung geschah selten aus ideologischen Gründen. Zudem brachen viele der Jugendlichen, welche nach der Umbruchstimmung der Balfour-Erklärung eine Ausbildung begonnen hatten, diese häufig wieder ab.(2) Zum gleichen Zeitpunkt fanden die ersten »Einzel-Hachscharot« statt. Die Auszubildenden durchliefen einzeln bei Bauern oder Handwerkern ihre Ausbildung.  Es bestand jedoch der Wunsch ein ideologisches Gemeinschaftsleben der jüdischen Jugendlichen zu organisieren und somit entstand 1926 die erste Hachschara-Stätte in Hameln, die von der Hechaluz errichtet wurde. Diese erste Gruppe mit dem Namen »Cherut« wanderte 1928 aus und gründete mit einem weiteren Chaluzim den bis heute größten Kibbuzim in Israel. In ebendiesen Jahren zählte der Hechaluz eine Mitgliederanzahl von 500 bis 600 Jugendlichen. Trotz dieser verhältnismäßig geringen Anzahl, eröffneten sie, ausgelöst durch ihren Idealismus und ihre Begeisterung, eine neue Lebensperspektive für die jüdischen Jugend besonders in den darauffolgenden schweren Jahren. Der eigentliche Auslöser für den steigenden massenhaften Andrang auf die Ausbildungsstätte in den 30er Jahren war die Judenfeindlichkeit im Nationalsozialismus.(9)

 

Diese wurde bereits 1923 mit der Gründung des Herzblatts »der Stürmer« durch Julius Streicher deutlich, in welchem wöchentliche Hassbotschaften und nicht selten auch Aufrufe zur Gewalt gegen Juden verbreitet wurden. 1924 schrieb Hitler während seiner Haftstrafe das rassenideologische Buch »Mein Kampf«.(2)

 

Nicht zuletzt hat der Hechaluz gemeinsam mit verschiedensten Jugendbünden die ideologischen sowie auch organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um tausende Kinder und Jugendliche nach der Machtergreifung Hitlers zur Rettung zu verhelfen.(9) 


Quellen:

1: Fiedler, R. & H. (2004). Hachschara Vorbereitung auf Palästina - Schicksalswege (Band 3). Teetz: Hentrich&Hentrich. 

2: Hachschara (Jewki). (2021). Verfügbar unter: https://www.jewiki.net/wiki/Hachschara. Zugriff am 13.01.2022

3: Institut für neue soziale Plastik. Verfügbar unter: https://www.neue-soziale-plastik.org/weitere-projekte/hachschara , Zugriff am 19.11.2021

4: Irgendwie jüdisch (2020). Verfügbar unter: https://irgendwiejuedisch.com/2020/08/die-hachschara-und-was-uebrig-blieb/, Zugriff am 2.12.2021

5: Jünger, D. (2015), An Bord des Lebens – Die Schiffspassage deutscher Juden nach Palästina 1933 bis 1938 als Übergangserfahrung zwischen Raum und Zeit. In:  Mobile Culture Studies.The Journal,Vol.1 2015,147-163

6: Kissling, M. (2020). Die Anfänge der religiösen Hachschara in Deutschland. Pilarcyk, Ulrike/Ashkenazi, Ofer/Homann, Arne (Hg). Giforn. S. 55-82

7: Linne, A. (2020). Hachschara Flucht nach Palästina nach der Ausbildung in Eberswalde. Verfügbar unter: https://www.moz.de/lokales/eberswalde/hachschara-flucht-nach-palaestina-nach-der-ausbildung-in-eberswalde-50383347.html Zugriff am 4.12.2021

8: Lordick, H. (2020). Hachschara und ›Berufsumschichtung‹ in der Mitte der 1930er Jahre – Das jüdische Landwerk Neuendorf im Spiegel zeitgenössischer Erfahrungsberichte. Verfügbar unter: https://akjw.hypotheses.org/779  , Zugriff am 2.12.2021

9: Michaeli,I. & Klönne, I. (2007). Gut Winkel - die schützende Insel (Band 3). Berlin: LIT Verlag. S. 237-241, S. 226-229

10: Pilarczyk, U. & Ofer/Homann, A. (Hg.) (2019). Hachschara und Jugend-Alija Pilarczyk, Ulrike/Ashkenazi, Ofer/Homann, Arne (Hg.) Wege jüdischer Jugend nach Palästina 1918-1941. Schulmuseum Steinhorst. 

11: https://eine-ausnahme.de/glossar/jüdische-jugendbewegung-der-makkabi-hatzair, Zugriff am 13.01.22 (Begriff Makkabi Hazair)

12: https://www.jmberlin.de/1933/de/05_26_nachricht-der-zionistischen-vereinigung-hechaluz-an-julius-brunn.php Zugriff am 13.01.22 (Begriff Hechaluz)

13: palaestina-als-zufluchtsort-der-europaeischen-juden Zugriff am 13.02.22 (Begriff Alija-Bet)